In diesem Beitrag erfahren Leser*innen, was interpersonelle Gewalt bedeutet, welche Formen von interpersoneller Gewalt im Sport vorkommen und wie häufig Kinder und Jugendliche in Österreich mit Gewalt im Sport konfrontiert sind.
Gewalt kommt in verschiedenen Formen in den verschiedensten Lebensbereichen vor:
In der Familie, im Sport, im Bildungs- und Freizeitbereich können Kinder und Jugendliche von Gewalt betroffen sein.
Bei Beratungen zum Thema Gewaltprävention oder auch des Kinderschutzes, hören wir bei der Vertrauensstelle oft Aussagen wie: „Das gibt es bei uns nicht“, wir sind eine Familie, wir kennen uns seit ewig. Ich kann mir vorstellen, dass das anderswo ein Problem sein kann, aber bei uns ist das kein Thema.“
Was ist interpersonale Gewalt?
Die CASES-Studie (Diketmüller & Kohl 2022) stützt sich auf die Definition der Gewaltformen auf jene der WHO. Diese differenziert Gewalt in drei Kategorien: selbstgesteuert, interpersonale und kollektive Gewalt. Demnach bezieht sich interpersonale Gewalt auf: familiäre und intime Partnergewalt oder Gewalt innerhalb von sozialen Gemeinschaften (Communities). Die Gewalthandlungen können in vier Erscheinungsformen eingeteilt werden.
- Körperliche Gewalt/physische Gewalt
- Seelische Gewalt/ psychische Gewalt
- Sexualisierte Gewalt
- Vernachlässigung
(Krug et al.,2002:6).
Erscheinungsformen von Gewalt:
körperliche/physische Gewalt: Handlungen, die eine physische Schädigung bei den Betroffenen hervorrufen. z.B.: Schlagen, Schütteln, Treten, Zwang zur Einnahme bestimmter Substanzen, trotz Verletzung spielen müssen, Sport als Bestrafung, Aufnahmerituale…
emotionale/psychische Gewalt: Nicht-körperliche Handlungen, die der psychischen Gesundheit oder der geistigen/sozialen Entwicklung schaden können. z.B.: Herabwürdigung, Verspottung, Verunglimpfung, Bedrohung, Beschimpfen, Anschreien, Teilnahme an emotional erniedrigenden Aufnahmeritualen, Kritik an körperlichen Erscheinungen, Forderung von Leistung auf unrealistisch hohem Niveau…
Sexualisierte Gewalt: unerwünschte oder erzwungene sexuelle Handlungen mit oder ohne Körperkontakt. z.B.: sexualisierte Bemerkungen, Bilder, sexuelle Übergriffe, Vergewaltigung, ungewollte Berührungen, ungewollter Kuss, Exhibitionismus (auch online), übergriffige, Aufnahmerituale, Anschauen von Medien mit sexuellem Inhalt, aktive Produktion/Weiterleitung von Medien mit sexuellem Inhalt,…
Vernachlässigung: Vernachlässigung/Ignoranz der grundlegenden gesundheitlichen Bedürfnisse. z.B.: fehlendes Essen, Trinken, mangelnde Sicherheitsstandards, unzureichende medizinische Versorgung. mangelnde Beaufsichtigung, Anweisung, der Schule fernzubleiben, um anderen Aktivitäten nachzugehen, Transport von Sportler*innen in unsicheren Fahrzeugen oder unter Alkohol-/Drogeneinfluss,…
Kein Thema im Sport? – Warum sollten wir trotzdem hinschauen
Die CASES-Studie (Child Abuse in Sport) erfasst die Prävalenz und Charakteristika interpersonaler Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Sport und außerhalb des Sports in Österreich. Die Studie war Teil eines Erasmus+-Programmes. Neben Österreich waren noch 6 weitere Länder Teil der Studie. Mehr zu Studie finden sie hier: https://cases.univie.ac.at/berichte/
Die Daten zeigen, dass interpersonale Gewalt an Kindern und Jugendlichen ein weit verbreitetes Problem ist, das den Sport ebenso betrifft wie andere gesellschaftliche Bereiche. Ebenso zeigt sich, dass die Prävalenz interpersonaler Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Sport bei Jungen höher als bei Mädchen ist. Bei zunehmendem Leistungsniveau steigt die Prävalenz von interpersonaler Gewalt. Personen, die interpersonale Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Sport ausüben, sind dem Kind in der Regel bekannt. Die Mehrheit der Befragten, die im Sport interpersonale Gewalt erlebt haben, haben ihre schwerwiegendste Erfahrung nicht offengelegt, und eine Offenlegung gegenüber jemandem im Sport war selten.
Mehr zum Thema Gewaltprävention und der Frage „Ist das schon Gewalt? im nächsten Blogbeitrag!
Literatur:
Diketmueller, R., & Kohl, A. (2022). Prävalenz und Charakteristika interpersonaler Gewalt an Kindern und Jugendlichen im und außerhalb des Sports in Österreich. Länderbericht – CASES: Child Abuse in Sport: European Statistics. Universität Wien. https://cases.univie.ac.at
Diketmueller, R., & Kohl, A. (2021). Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Sport: Neue Daten aus Österreich und Europa. Symposium am 25.22.2021. https://cases.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_sportandgender2017/layout/fotos/CASES_SympAT_FINAL_AK.pdf
Frauen* beraten Frauen* (2022). Ist das schon Gewalt? Gewalt erkennen und verändern.2. aktualisierte Auflage. https://www.frauenberatenfrauen.at/download/FBF-Handbuch-final-Screen.pdf
Krug, E.G., Dahlberg, L.L., Mercy, J.A., Zwi, A.B. & Lozano, R.L. (2002) (eds.). World report on violence and health. Geneva: World Health Organisation